Kommentator im Ehrenamt

Wie kommt man zum Job des Kommentators in der 2. Bundesliga Volleyball der Frauen? In meinem Fall, wie die Jungfrau zum Kind.

Ich gehe regelmäßig zum Volleyball und kenne persönlich verschiedene ehemalige Spielerinnen des Dresdner SC. Vor einigen Jahren hatte ich mal für die Zeitung meiner Firma einen Beitrag über den DSC geschrieben. Dadurch habe ich auch die handelnden Personen der Geschäftsstelle des DSC kennen gelernt. Das ich aber mal auf dem Stuhl des Livekommentators in der Halle lande, hätte ich nie für möglich gehalten. Gut, es ist jetzt nicht der DSC, aber die Nachwuchsabteilung des DSC, die unter dem Namen Volleyball Club Olympia Dresden in der 2. Bundesliga der Frauen am Start ist.

Eines Tages 2021 klingelte mein Telefon mit einer unbekannten Nummer. Die Stimme sagte:“ Hier ist Christiane Fürst“. Natürlich kannte ich Christiane. Ehemalige Weltklasse Volleyballerin. Im Vereinsvolleyball die erfolgreichste deutsche Spielerin aller Zeiten. 3 mal Clubweltmeisterin, 3 mal Champions League Siegerin, 2 mal Vizeeuropameisterin, 345 Länderspiele für Deutschland, Olympiateilnehmerin, nationale Vereinstitel in Deutschland und auf ihren Auslandsstationen in Italien, der Türkei und Japan. Heute Geschäftsführerin beim VC Olympia. „Wieso hat die meine Nummer, wieso ruft die mich an?“ dachte ich noch so, als die Frage kam: „Kannst du dir vorstellen, beim VCO den Kommentator zu machen?“ „Sowas hab ich noch nie gemacht“ war meine Antwort.

Gut befreundet bin ich mit Corina Ssuschke Voigt, auch eine ehemalige Volleyball-Nationalspielerin. Die wiederum ist natürlich mit Christiane Fürst befreundet. Christiane hatte Corina ihr Leid geklagt. Alle Spiele der 1. und 2. Bundesliga werden seit 2021 bei Sport1 extra im Livestream übertragen und die Gastgeber müssen einen Kommentator stellen und der wurde nun händeringend gesucht. Corina sagte wohl: „Da kenn ich einen, der kann dass, der macht dass“ Dumm nur, das Corina mir nicht Bescheid sagte.

Die Mannschaft des VC Olympia Dresden nach einem siegreichen Spiel / Foto: mit freundlicher Genehmigung von Knut Zyball

Kurz und gut, ich habe mich breitschlagen lassen, das Ganze mal zu probieren. Corina Ssuschke Voigt versprach mir, beim ersten Spiel als Co-Kommentatorin an meiner Seite zu sitzen. Von den Spielerinnen des VCO kannte ich keine, ganz zu schweigen von den Spielerinnen der Gegner. „Beste“ Voraussetzung also. Meine Vorbereitung mündeten in zwei DIN A4 Seiten mit der Auflistung aller Spielerinnen mit Rückennummer, Position, Größe und Alter. Dazu noch die Schiedsrichter. Los ging es, Aufregung bei mir, wenig. Einfach nicht drüber nachzudenken, wie viele Leute da zusehen und zuhören. Können ja nicht viele sein, wer guckt schon 2. Bundesliga Volleyball?

Bei jeder Aktion musste ich erstmal die Rückennummer mit meinem Zettel vergleichen, bis mir der Name über die Lippen kam. (Die ganze anschließende Nacht habe ich von Nummern, Namen und Ansagen geträumt.) Das erste Spiel gegen den TV Holz aus dem Saarland ging dann auch noch über 5 Sätze, also die maximale Länge von ca. 2,5 Stunden. Aber irgendwie hab ich das Ganze halbwegs hinbekommen. Ich wurde von Vereinsvertretern gelobt. Die waren wahrscheinlich einfach nur froh, dass sie jemanden gefunden hatten. Von nun an war ich der Kommentator des VC Olympia Dresden.

Mit der Zeit wurde ich dann routinierter. Inzwischen erkenne ich die Mädels des VC Olympia auch ohne Rückennummer. Die sind übrigens im Alter von 15 bis 19 Jahren. Auf Augenhöhe bin ich mit den meisten trotzdem nicht. Das geht bis zu einer Größe von 1,95 m. Inzwischen weiß ich auch von jeder etwas mehr, was ich beim Kommentieren, bei passender Gelegenheit mit unterbringe.

Zum Co-Kommentieren bekomme ich immer jemanden vom Fach an meine Seite. Ich selbst habe nie wirklich Volleyball gespielt und taktisch, technische Details erkenne ich nicht alle, aber auch da werde ich besser. Die Co’s sind ehemalige Spielerinnen Trainer oder Funktionäre des DSC oder des VCO. Manchmal muss man die Co’s animieren zu sprechen, ein anderes Mal nahm der Co mit fast das Zepter aus der Hand, aber meist funktioniert das Zusammenspiel recht gut, wie mit Berit Rehse. Die ehemalige VCO Spielerin saß nun am häufigsten an meiner Seite. 

Als Co-Kommentatorin Berit Rehse, die am häufigsten an meiner Seite gesessen hat

Inzwischen ist meine Vorbereitung auch umfangreicher, als nur die Namen der Gegner ausdrucken. Die Homepage der Gäste durchforste ich nach verwertbaren für mich. Welche Spielerin ist neu im Kader, wo spielte sie davor? Dafür brauche ich schon etwas Zeit. Am Spieltag selbst, bin ich ca. eine Stunde vor Spielbeginn vor Ort. Dann spreche ich noch mit beiden Trainern. Gibt es Veränderungen im Kader oder andere wichtige Neuigkeiten? Ein wichtiger Part ist auch die richtige Aussprache der Namen. Dies erfrage ich meistens bei den Spielerinnen selbst. Miracle Echipue zum Beispiel, war eine echte Herausforderung für meine Zunge. Aber auch andere Namen sind übungsbedürfig, denn bei den Gastmannschaften gibt es öfter Spielerinnen aus dem Ausland mit für uns ungewöhnlichen Namen.

Die meisten Menschen werden sich auch nicht vorstellen können, wie viele Leute (fast alle im Ehrenamt), neben den Spielern und Betreuerteam, benötigt werden, um ein Spiel der 2. Volleyballbundesliga ordnungsgemäß durchführen zu können. Da gibt es den Hallensprecher, einen Schreiber, nebst Assistenten für das Kampfgericht. Mehrere Leute die das Spielfeld inclusive Bandenwerbung aufbauen. Am Einlass sitzt jemand. Der Verkaufsstand muss besetzt sein, dazu gehört, dass dafür vorher eingekauft wird. Die Ballkinder mit Betreuer. Für den Livestream neben mir als Kommentator ein Co, plus zwei, die die Technik betreuen. Dazu schwenken zwei Kamera, in unserem Fall sind das die Eltern von Teresa Ziegenbalg. Nicht zu vergessen, einer trägt die Hauptverantwortung.

Der Livestream bei Sport1 extra (das Onlineportal des Fernsehsenders Sport1) ist noch nicht mal umsonst. Um mich, den Amateur zu hören, muss man also auch noch bezahlen. Ein Einzelspiel kostet 2,49€, der Club Saison Pass 39,99€ und die gesamten Volleyballspiele der 1. und 2. Liga für eine Saison 84,99€. Damit dürfte auch klar sein, dass die Einschaltquoten überschaubar sind. Genaue Zahlen kenn ich nicht mal, aber es war mal die Rede von ca. 1000 Zugriffen. Für die Kommentatoren der 1. und 2. Bundesliga gab es sogar einmal eine Schulung mit Dirk Berscheid dem Volleyball- Kommentator und Experten von Sport1. Mir geht es bei der Sache nicht um Geld, aber eine Ehrenamtspauschale bekomme ich schon. 

Im November kam es zu einer ähnlichen Geschichte, wie am Anfang dieser Story. Freitagabend gegen 22.30 Uhr, wieder eine unbekannte Nummer. Diesmal Sven Dörendahl (Sportdirektor des Männerteams VC Dresden) am anderen Ende: „Kannst du bei uns kurzfristig morgen aushelfen?“ Da blieb mir tatsächlich nur der Samstagvormittag zur Vorbereitung, eigentlich viel zu kurz. Man muss bedenken, auch die Jungs in der 2. Bundesliga der Männer sind mir nicht direkt geläufig. Mit Hilfe des Co-Kommentators Martin Kroß, habe ich auch die Hürde geschafft.

Wer sich live vor Ort ein Spiel ansieht, kann mich auch bei der Arbeit beobachten. Ich sitze dort direkt hinter einer der Sitzreihen der Trainer und Wechselspieler und verrichte meinen Job. Beispiele für meine Tätigkeit gibt es hier auf der Homepage.

Jörg Hensel